Beeinträchtigt 5G-Mobilfunk die Gesundheit? Deutschland hat seit 2002 viele Millionen Euro investiert, um Handystrahlung zu erforschen. Seitdem gehen die Arbeiten im Bundesumweltministerium und im Bundesamt für Strahlenschutz weiter. Ein Überblick zu Studien und was sie herausgefunden haben.
In der Hand, am Kopf oder in der Hosentasche: Ihr Smartphone tragen viele Menschen eng bei sich. Damit das Handy ein Telefonat aufbauen oder Daten schicken kann, verwendet es elektromagnetische Felder, kurz EMF. Diese geben Energie an die Umgebung ab. Ist diese Form der Strahlung ein Problem? Hat sie Auswirkungen auf die Gesundheit? Schadet 5G womöglich dem Gehirn? Diese Fragen stehen im Zentrum abgeschlossener, laufender und zukünftiger wissenschaftlicher Forschungen.
Bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts haben anerkannte Forschungsinstitute und Universitäten Untersuchungen zu gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks durchgeführt – sowohl national als auch international. Alle nationalen Strahlenschutzbehörden und die überwiegende Mehrheit der Expertengremien kommen auf Basis der aktuell vorliegenden Forschungsergebnisse zu dem Schluss: Die Grenzwerte schützen uns.
Für den Mobilfunkstandard 5G nutzen die Netzbetreiber Funkfrequenzen, die seit Jahren im Einsatz sind oder sehr nah dran an bisher schon genutzten Frequenzen. Der 5G-Mobilfunk ist zwar als Technologie neu, die physikalischen Prozesse dahinter sind es aber nicht. Ergebnisse aus der bisherigen Mobilfunkforschung lassen sich deshalb übertragen. Und daher lässt sich sagen: Auch 5G ist gut erforscht. Die Grenzwerte schützen uns im Zeitalter der 5G-Netze ebenso.
Die elektromagnetischen Felder (EMF) des Mobilfunks sind gut erforscht. Das EMF-Portal der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen listet rund 40.000 Publikationen aus aller Welt auf – und es werden immer mehr. Im Fokus vieler Arbeiten stehen Langzeitwirkungen von EMF. Wir nennen einige wichtige und viel diskutierte Studien:
Deutsches Mobilfunk-Forschungsprogramm (DMF)
Im Rahmen dieses Programms wurden bereits zwischen 2002 und 2008 Studien durchgeführt. In insgesamt 54 Forschungsprojekten untersuchte das Programm die gesundheitlichen Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den menschlichen Körper. Die abgeschlossenen Studien beziehen sich in den meisten Fällen auf die damals modernsten Standards GSM und UMTS, also 2G und 3G.
Bewertung des Wissenschaftlichen Ausschusses für Gesundheit, Umwelt und neu auftretende Risiken (SCHEER) der Europäischen Kommission
Der Ausschuss hat seine Bewertung elektromagnetischer Felder aus dem Jahr 2015 auf den Stand von 2023 aktualisiert. Dabei berücksichtigte er alle relevanten Studien zu hochfrequenten elektromagnetischen Feldern, die seit 2015 veröffentlicht wurden. Auf dieser Grundlage kommt das Gremium SCHEER, das sich aus unabhängigen Strahlenschutzexpertinnen und -experten der EU zusammensetzt, zu dem Schluss, dass unterhalb der Grenzwerte weder bei dauerhafter noch bei akuter Exposition gegenüber EMF Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen zu finden sind.
Vielfach diskutiert wurde außerdem der sogenannte STOA-Bericht. Er ist jedoch – anders als teilweise angenommen – keine offizielle Stellungnahme des EU-Parlaments, sondern die Ausarbeitung einer einzelnen Wissenschaftlerin. Der STOA-Bericht hat wenig Aussagekraft, da er nach Einschätzung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS)formale, methodische und inhaltliche Schwächen aufweist.
Technikfolgenabschätzung für den Deutschen Bundestag
2023 veröffentlichte das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) seinen Arbeitsbericht. Das beratende Gremium des Parlaments bewertet darin den Sachstand zu „Mögliche[n] gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder“. Der TA-Bericht fokussiert neuere Forschungsergebnisse ab dem Jahr 2010 bis zum Jahr 2019. Danach veröffentlichte Studien konnten nicht berücksichtigt werden. Er weist auf zwei Tierstudien hin, die Hinweise geben auf ein erhöhtes Auftreten von Herz- und Hirntumoren – es ist jedoch unklar, ob dies für eine Exposition unterhalb der Grenzwerte relevant ist. Der TA-Bericht erläutert zudem, dass die Datenlage zu Wirkungen auf die frühkindliche Entwicklung, Krebs und physiologische Parameter unzureichend sei, um eine Schlussfolgerung abzuleiten. Es brauche mehr qualitativ hochwertige Untersuchungen. Die im Bericht genannten Studien sind dem BfS bekannt. Es unterstützt die Forderung nach mehr qualitativ hochwertiger Forschung.
Bericht der Bundesregierung von 2023
Seit 2002 legt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag regelmäßige Emissionsminderungsberichte vor. 2023 erschien der zehnte Bericht. Hierfür nahm die Bundesregierung wieder die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirkung von Mobilfunkstrahlung in den Blick. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Bevölkerung weiterhin durch die geltenden Grenzwerte ausreichend vor gesundheitlichen Auswirkungen hochfrequenter EMF geschützt ist. Zugleich kündigt er weitere Untersuchungen an, um das Wissen über 5G und zukünftig 6G zu verbessern. Regelmäßig führt das Bundesumweltministerium (BMUV) entsprechende Projekte in seinem Ressortforschungsplan auf.
MOBI-KIDS-Studie
Die große epidemiologische Studie untersuchte von 2010 bis 2021 die Wirkungen von Handystrahlung auf Kinder und Jugendliche. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass Kinder und Jugendliche kein erhöhtes Risiko für Hirntumore durch die Handynutzung haben. Dr. Tobias Weinmann erläutert in unserem Webmagazin, was er und andere Forschende herausgefunden haben. Das Team erhob für die MOBI-KIDS-Studie Daten in 14 Ländern, darunter auch Deutschland. Sie befragten fast 900 Kinder und Jugendliche mit Hirntumoren und 1.900 ohne Hirntumorerkrankung. Die Teilnehmenden waren zwischen 10 und 24 Jahre alt. Die MOBI-Kids-Studie ist die bislang größte Fall-Kontroll-Studie zum Zusammenhang zwischen Mobilfunknutzung und Hirntumorerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.
COSMOS-Studie (Cohort Study of Mobile Phone Use and Health)
Sie befasst sich mit Langzeitwirkungen von EMF auf Erwachsene. Die COSMOS-Studie wird seit 2007 von einem internationalen Konsortium aus sechs europäischen Ländern durchgeführt, um die allgemeine Gesundheit von 290.000 Studienteilnehmenden über einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren hinweg zu untersuchen. Die Studie läuft noch bis 2037. Die bisherigen Ergebnisse der COSMOS-Studie stützen laut BfS mehrheitlich die Ergebnisse früherer Beobachtungsstudien. Es konnte kein Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und Krebs gefunden werden.
GERoNiMO-Projekt
Das interdisziplinäre Vorhaben lief von 2014 bis Ende 2018 und wurde von der Europäischen Union gefördert. Das GERoNiMO-Projekt hat das Wissen über mögliche Wirkungen elektromagnetischer Felder erweitert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 13 verschiedenen Ländern entwickelten auch Maßnahmen, um die Exposition durch EMF zu reduzieren. Hier lesen Sie den Abschlussbericht.
European Research Cluster on EMF and Health (CLUE-H)
Das EU-geförderte Netzwerk wurde im September 2022 vorgestellt. Mehr als 70 europäische Forschungseinrichtungen in vier Forschungskonsortien (ETAIN, GOLiAT, NextGEM, SEAWave) sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA, Korea und Japan sind daran beteiligt. Ihre Forschungsergebnisse sollen die Wissenslücken über die Auswirkungen von Funktechnologien auf Gesundheit und Umwelt schließen und dazu beitragen, die sichere Einführung und Nutzung zukünftiger Netze zu gewährleisten.
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Die WHO hat seit 2019 insgesamt zehn systematische Reviews in Auftrag gegeben, in denen bereits vorhandene Studienergebnisse zusammengetragen, analysiert und bewertet werden.
Forschung ist nie abgeschlossen. Seriöse Wissenschaft kann niemals einen Nachweis der Unbedenklichkeit geben – für keinen Stoff und für keine Technik. Es bleibt immer ein Rest Unsicherheit, da man niemals alle möglichen Effekte, Szenarien und Kombinationen erforschen kann. Diese Unsicherheit kann aber durch entsprechende Studien stark eingrenzt werden. Beim Mobilfunk ist sie dank jahrzehntelanger Forschung bereits sehr klein – kleiner als bei manch anderer Umwelteinwirkung. Und durch weitere Untersuchungen wird sie noch kleiner.
Wenn viele wissenschaftliche Untersuchungen unabhängig voneinander keine Wirkung nachweisen konnten und international ein breiter Konsens unter Fachleuchten besteht, kommen wissenschaftliche Expertengremien zu der Einschätzung, dass die Bewertung gesichert ist: Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand ist nicht von einer schädlichen Wirkung des Mobilfunks auszugehen.
Derzeit nutzt der 5G-Mobilfunk Frequenzen, die auch für die bisherigen Mobilfunkgenerationen verwendet werden. Einzelne Hochschulen und Unternehmen arbeiten zudem an eigenen Funknetzen, die höhere Frequenzen im Bereich von 26 Gigahertz nutzen. Diese werden häufig auch als Millimeterwellen bezeichnet, da die elektromagnetischen Felder bei diesen Frequenzen Wellenlängen von wenigen Zentimetern bis Millimetern haben. Aufgrund dieser sehr geringen Reichweite werden diese Frequenzen jedoch voraussichtlich nicht flächendeckend, sondern vor allem für die lokale Versorgung (sogenannte Campusnetze) eingesetzt. Einige Hochschulen und Unternehmen nutzen damit bereits funktechnische Lösungen unter anderem für den industriellen Bereich.
Die biologischen Wirkungen elektromagnetischer Felder in diesen Frequenzbereichen sind vergleichsweise weniger gut untersucht, sodass hier noch Forschungsbedarf besteht. Um die Datenlage weiter zu verbessern, laufen auch zu diesen höheren 5G-Frequenzbereichen Forschungsvorhaben. Dennoch lässt sich sagen: Auch von den höheren Frequenzbändern, in denen der neue Mobilfunkstandard 5G gesendet werden kann, gehen nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft keine Risiken aus, solange die festgelegten Grenzwerte eingehalten werden.
Wo besteht noch Forschungsbedarf? Das ermitteln Expertengremien. Sie behalten den aktuellen Forschungsstand im Blick und werten alle bereits veröffentlichten Arbeiten und Studien aus.
Die wichtigsten internationalen Gremien sind die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Auf nationaler Ebene ist es die Strahlenschutzkommission (SSK). Sachverständige dieser Gremien prüfen genau, ob die vorgelegten Arbeiten wissenschaftlichen Standards genügen. Auf Basis ihrer Entscheidungen geben sie Empfehlungen an Politik und Verwaltung ab.
Alle Forschungsprojekte im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) betreut. Finanziert wurden die Studien vom Bundesumweltministerium und von den Mobilfunknetzbetreibern. Die Strahlenschutzkommission hat die Ergebnisse ausgewertet. Trotz der anteiligen Finanzierung hatten die Mobilfunkbetreiber kein Mitspracherecht bei der Auswahl der Forschungsprojekte oder bei der Auswertung der Forschungsergebnisse.
Im Februar 2020 wurde das Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder (KEMF) als Teil des BfS gegründet. Es ergänzt bereits bestehende Einrichtungen und soll als zentrale Anlaufstelle des Bundes zu allen Strahlenschutz- und Gesundheitsfragen bezüglich elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder fungieren. Das Kompetenzzentrum bündelt Wissen und intensiviert die Forschung und Kommunikation über EMF.