Lieferungen, Winterdienst, Müll sammeln: Für autonom fahrende Roboter gibt es viele Aufgaben. Doch ohne Menschen funktioniert das nicht. Die TU Kaiserslautern vernetzt Transportroboter über 5G, damit Menschen aus der Ferne eingreifen können.
Alle Signale stehen auf Grün. Im Gebäude 11 der Technischen Universität Kaiserslautern ist das an diesem Vormittag nicht nur ein Spruch. Mehrere grüne Lampen erleuchten den großen Raum, der sich Leitstelle nennt und tatsächlich so aussieht. Mitarbeitende an neun Computer-Monitoren blicken hin und wieder hoch auf eine Monitorwand. Sie zeigt Grafiken und Bilder aus Überwachungskameras. Die Männer wirken gelassen, denn die Lichter leuchten ja grün, was bedeutet: Die Technik funktioniert.
Mehrere Etagen tiefer fahren zwei Roboter auf Rädern. Was sie sehen, sehen auch die Mitarbeitenden in ihrer Leitstelle. Sogenannte Lidar-Sensoren auf den fahrenden Robotern gewähren den Rundumblick, indem sie mit Lichtwellen die Umgebung scannen. Kameras nehmen zusätzlich Livebilder auf. Sensordaten und Livebilder erscheinen in Echtzeit in der Leitstelle – übertragen mithilfe eines eigenen 5G-Netzes.
An der Uni funkt ein eigenes 5G-Netz
Die TU Kaiserslautern ist seit einiger Zeit mit 5G-Mobilfunk versorgt: Mehrere Antennen bilden auf dem Gelände ein Campusnetz, das unabhängig von öffentlichen Netzen nur der Uni zur Verfügung steht. Die Forschenden können es also ganz auf ihre Bedürfnisse ausrichten. 5G-Mobilfunk ist für sie die beste Wahl, weil er mühelos große Datenmengen vieler Kameras und Sensoren übertragen kann – und das mit minimaler Verzögerung zwischen Senden und Empfangen (Latenz). Das Projekt 5G Kaiserslautern wird im Rahmen des 5G-Innovationsprogramms vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.
Vater des Campusnetzes und auch der kleinen Transportroboter ist Prof. Hans Schotten. Der Elektrotechniker arbeitet seit Jahrzehnten mit Mobilfunk, Künstlicher Intelligenz und vernetzten Fahrzeugen. Und doch, sagt auch er, stehen diese Technologien noch am Anfang: „Im Prinzip sollten Fahrzeuge autonom agieren können. Aber aus der Praxis wissen wir: Es gibt immer spezielle Situationen, die Fahrzeuge herausfordern. Deshalb fahren sie meist mit sehr niedriger Geschwindigkeit.“ Schotten denkt an Versuche mit automatisch oder (teil-)autonom fahrenden Kleinbussen. Noch kann keines dieser Fahrzeuge komplett allein fahren. „Es gibt immer Effekte, an die man vorher gar nicht denkt“, sagt Schotten. „Ein Windstoß wirbelt Laub durch die Luft – das nimmt das Fahrzeug womöglich als Hindernis war und bleibt stehen. Hier braucht es weiterhin Menschen, die dem Roboter sagen: Hey, das waren doch nur Blätter.“
Die 5G-Verbindung hilft der Künstlichen Intelligenz
Diese Menschen sitzen in Kaiserslautern in der Leitstelle. „Und wir sammeln nun Erfahrungen, ob das Konzept Leitstelle so funktioniert“, sagt Schotten. Der Plan: Ein Fahrer soll aus der Ferne eine wachsende Flotte von Fahrzeugen kontrollieren und bei Bedarf steuern. Zunächst im Gebäude der Uni, dann draußen auf öffentlichen Wegen, danach in einem benachbarten Wohngebiet. Die fortlaufende Überwachung durch Menschen ist dabei kein Notnagel. Sie wird der Künstlichen Intelligenz helfen, mit der Zeit besser zu werden. Das ist das Prinzip von lernenden Algorithmen: Sie merken sich Erfahrungen für vergleichbare Situationen in der Zukunft und treffen dann bessere Entscheidungen. Hat der Roboter 100 Male gezuckt, nur weil Laub herabfällt, erkennt der Algorithmus die ungefährliche Situation ab dem 101. Mal korrekt.
Mögliche Anwendungen für solche Fahrzeuge gibt es viele. Noch sehen die fahrenden Roboter in Kaiserslautern unfertig aus, mit vielen freiliegenden Kabeln und Lampen. Doch mögliche Einsatzgebiete liegen nah: Pakete ausliefern, Müll von der Straße saugen oder vereiste Gehwege im Winter erkennen und streuen. „Und stellen Sie sich vor: Sie kommen vom Arzt und der Roboter steht schon vor der Haustür – mit dem passenden Medikament aus der Apotheke. So etwas ist vor allem für den ländlichen Raum interessant, wo die Versorgung nicht gut und die Wege lang sind“, sagt Schotten. Der erfahrene Wissenschaftler ist Realist und schätzt, etwa 2024 oder 2025 wären tatsächlich autonom fahrende Roboter in Parks oder auf Firmengeländen denkbar.
Roboter verlagern ihr Gedächtnis in die Datenwolke
Einige Häuser weiter, ebenfalls auf dem Campus der TU Kaiserslautern, simulieren die Maschinenbauer Anwendungen für die Industrie. Auch hier flitzt ein Transportroboter durch die Halle. Ein Tor öffnet sich zu einer gläsernen Zelle. Darin fräst ein mächtiger, oranger Roboterarm an einem Stück Metall. Der fahrende Transportroboter bringt seinem fräsenden Kollegen Nachschub und transportiert fertige Metallstücke wieder ab. Auch dieser Transportroboter profitiert von 5G. Seine Steuerungstechnik könnte komplett auf einen externen Server oder in die Cloud ausgelagert werden. Dadurch kann der Roboter nicht nur eine Aufgabe immer wieder ausführen, sondern über ein 5G-Netz theoretisch unbegrenzt viele Aufgaben aus der Ferne bekommen und kontrolliert werden.
Aber kostet das nicht Arbeitsplätze? Hans Schotten reißt hinter seinen runden Brillengläsern erstaunt die Augen auf. „Arbeitsplätze? Jobs sind nicht das Problem. Arbeitskräfte sind das Problem! Wir haben doch jetzt schon zu wenige Lkw-Fahrer, zu wenige Paketboten.“ Schotten zählt weitere Beispiele auf: Reinigungsfirmen, Industrie und Sicherheitsgewerbe suchen nach Fachkräften. Außerdem die Landwirtschaft, wo die TU Kaiserslautern eigene Robotertests mit 5G unternimmt.
Digitale Helfer übernehmen Jobs fehlender Fachkräfte
Schotten ist optimistisch, was den Einsatz von Mobilfunk in der Wirtschaft betrifft. Zahlreiche deutsche Firmen arbeiteten daran, ihre Produktion digital zu vernetzen. „In meinem Team hat jeden Tag irgendwer eine Telefonkonferenz mit Unternehmen und tauscht Wissen aus“, sagt Schotten. „Deutschland ist bei 5G gut aufgestellt, denn wir haben eine Tradition in der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie.“
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