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Kieler Förde

Wie 5G die autonome Schifffahrt vorantreibt

05.03.2024
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Mehr Sicherheit und eine effiziente Mobilität: Ein Kieler Forschungsteam will autonome Fähren aufs Wasser bringen – mit 5G.

Die Zugangsbrücke ist abgebaut, Anker und Leinen sind eingeholt. Mit zwei Knoten, also rund vier Kilometern pro Stunde, startet die MS WaveLab ihre Testfahrt auf der Kieler Förde – ferngesteuert von Daniel Sommerstedt, der in einem Büro an Land sitzt. Der Systemingenieur lenkt das 21 Meter lange und acht Meter breite Versuchsschiff aus der Ferne. Es ist mit vielen Sensoren und Kameras ausgestattet. Über ein 5G-Netz funken sie Daten in das Kontrollzentrum. Von dort sendet Sommerstedt die Steuerbefehle zurück. An Bord ist heute nur Dietmar Wieboldt. Doch der Sicherheitskapitän kann sich zurücklehnen, er hat an diesem grauen Vormittag nichts zu tun.

Mit den beiden Kieler Fährlinien F1 und F2 sind jährlich 1,2 Millionen Passagiere unterwegs. Die F2 fährt vom Ost- zum Westufer, die F1 macht eine größere Runde zu den Dörfern und Städten außerhalb. Bei jeder Fahrt ist eine Kapitänin oder ein Kapitän an Bord und steuert das Schiff. Doch immer öfter steht der Verkehr still: „Überall müssen Fahrpläne gekürzt oder gestrichen werden, weil die Fachkräfte fehlen“, sagt Daniel Laufs, Innovationsmanager am Wissenschaftszentrum Kiel.

Autonom fahrende Fähren könnten dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Zwar müsste dann immer noch eine Person das Schiff überwachen, aber perspektivisch könnte sie mehrere Fähren gleichzeitig beobachten. „Dann braucht man vielleicht nur noch zwei Leute für sechs Fähren. Wenn eine Person eingreifen muss, kann die andere die Überwachung übernehmen“, erklärt Laufs. So könnte die Zahl der Fährfahrten sogar steigen, obwohl es weniger Kapitäninnen und Kapitäne gibt.

Schiff und Kontrollzentrum tauschen Daten in Echtzeit aus

Im Forschungsprojekt Förde 5G testen Daniel Laufs und sein Team auf 15 Hektar Wasserfläche im alten Marinearsenal, was für einen autonomen Fährbetrieb nötig ist. Die Kieler Firma Anschütz hat dafür die MS WaveLab gebaut. Sie fährt teleoperiert, also ferngesteuert, über 5G. Die Fernsteuerung ist eine Vorstufe zum autonomen Fahren. An Deck erklärt Laufs, wie das funktioniert: „Die elektrisch betriebene Fähre ist mit zahlreichen Kameras und Sensoren ausgestattet. Sie überwachen die Umgebung und senden die Daten in Echtzeit in den Kontrollraum.“

Von dort aus steuert Daniel Sommerstedt. Sein Büro ist mit einem großen Monitor ausgestattet, der eine 360-Grad-Ansicht aus der Perspektive des Schiffes zeigt. Ein weiterer Monitor veranschaulicht die Daten der Sensoren und Systeme an Bord. Über Multifunktionsdisplays kann der Systemingenieur und Projektleiter bei Anschütz auf die Navigation zugreifen und das Schiff wie gewohnt bewegen oder auf Objekte im Wasser reagieren. Aktuell sitzt noch Kapitän Wieboldt an Bord, der die Fahrt zusätzlich überwacht.

Projekt nutzt das öffentliche 5G-Netz

Die Datenmengen, die Schiff und Kontrollzentrum austauschen, sind groß und müssen in Echtzeit übertragen werden. Dafür hat Projektpartner Vodafone ein 5G-Mobilfunknetz entlang der Innenförde aufgebaut. Denn 5G bietet geringe Latenzzeiten und hohe Übertragungsraten. Vor allem bei An- und Ablegemanövern muss es schnell gehen, weiß Daniel Laufs. „Eine verzögerungsfreie Rückkopplung zwischen Schiff und Kontrollzentrum ist dabei unerlässlich.“ Das Forschungsteam nutzt das öffentliche 5G-Netz. Denn ihr Projekt soll einen Vorteil für alle bieten: „Wir wollen dazu beitragen, dass das Netz so ausgebaut und sicher ist, dass es alle Menschen verwenden können“, sagt Laufs.

So funktioniert die Fernsteuerung

Der Kapitän Dietmar Wieboldt hat heute nichts zu tun, …
… denn Daniel Sommerstedt steuert die MS WaveLab aus seinem Büro.
Auf seinem Computer kann er auf alle Daten aus dem Schiff zugreifen.
Die MS WaveLab ist mit zahlreichen Sensoren und Kameras ausgestattet.
Mithilfe von 5G kann Sommerstedt das Versuchsschiff sicher und präzise in Echtzeit steuern.

Auf dem Testgelände führen die Forscherinnen und Forscher verschiedene Übungsfahrten durch. „Mal nimmt die MS WaveLab nur Bilder und Szenarien auf, mal fährt sie eine bestimmte Linie ab und soll zum Beispiel eine Boje aus jedem Winkel erkennen. Dabei wollen wir sehen, wie schnell und genau die Sensoren Objekte erfassen“, erläutert Laufs. Diese Informationen sendet das Elektro-Schiff dann über 5G an das Kontrollzentrum. Dort speichert und verarbeitet eine Software die Daten und optimiert das Navigationssystem. Nach der Testphase mit der MS WaveLab wollen die Ingenieurinnen und Ingenieure einen Prototyp des Schiffes bauen – und damit nach dem ferngesteuerten auch dem autonomen Fahren einen Schritt näher kommen.

Mehr Sicherheit für Passagiere

Autonom fahrende Schiffe sind nicht nur effizienter, sondern nach Einschätzung der Fachleute auch sicherer unterwegs. Die meisten Schiffsunglücke gehen auf menschliches Versagen zurück, weiß Laufs. „Das heißt natürlich nicht, dass Menschen keine Schiffe mehr fahren sollen. Aber mit Technologien wie 5G können wir die Sicherheit erhöhen und das Unfallrisiko senken.“ Besonders bei Nebel ist die Sicht der Kapitäninnen und Kapitäne eingeschränkt. Ein Assistenzsystem könne Objekte besser erkennen als das menschliche Auge.

Daniel Laufs ist Innovationsmanager am Wissenschaftszentrum Kiel.

Förde 5G erprobt den autonomen Schiffsverkehr im Rahmen der CAPTN-Initiative. CAPTN steht für Clean Autonomous Public Transport Network. Die Initiative setzt sich für eine flexible, emissionsfreie und autonome Mobilität in Kiel ein. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) fördert dies mit mehreren Millionen Euro.

Ein Ziel dabei: den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf dem Wasser auszuweiten. „Gerade in Städten wie Kiel bietet das Wasser eine gute Möglichkeit, den Verkehr auf der Straße zu entlasten und die Umweltbelastung durch alternative Antriebe zu senken“, sagt Laufs. Schließlich soll die Fähre nicht nur Menschen von A nach B bringen, sondern ihnen auch ein Stück Naherholung bieten. „Wir wollen einen Ort schaffen, an dem sich die Passagiere wohlfühlen und anders als in einem überfüllten Bus, ein wenig Ruhe und Erholung genießen können.“

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